Ich bin zu 100% für meine eigenen Gefühle verantwortlich. Meine Gefühle entstehen aus den Gedanken und Bewertungen, die ich habe und oft auch bewusst nähre. Deshalb gilt: Niemand kann mir Gefühle machen, ich mache sie mir selbst!
Ist das nicht eine ziemlich steile These? Im Alltag ist es ja oft so, dass wir andere als Ursache unserer Gefühle sehen und das auch so benennen: „Du machst mich wirklich wütend!“ Oder: „Das macht mich ganz traurig, wenn du…“
Dabei verkennen wir, dass der andere zwar Auslöser sein mag, die Ursache für das unangenehme Gefühl aber in unseren eigenen, nicht erfüllten Bedürfnissen liegt bzw. in den Interpretationen und Bewertungen, die wir dem anderen gegenüber aufgrund dessen entwickeln. Zumindest ist das die Grundannahme des Rosenberg-Modells, auf dessen Grundlage ich arbeite.
Selbstreflexion statt Projektion
Bist du bereit? Dann habe ich hier ein konkretes, *räusper* gar nicht so weit hergeholtes Beispiel:
Wenn einer meiner (unbewussten) Glaubenssätze lautet „Ich bin nicht gut genug“, werde ich auf Kritik besonders stark reagieren. Denn die scheint ja zu bestätigen, was ich ohnehin annehme: „Tatsache, es stimmt, jetzt habe ich schon wieder etwas falsch gemacht.“ Verhängnisvoll wird es, wenn mir das nicht bewusst ist und ich auch nicht bereit bin, mich diesem aus meiner Kindheit schon wohlbekannten Schmerz und der damit verbundenen Scham zu stellen.
Denn dann werde ich, um von mir abzulenken, alles einfach auf den anderen projizieren. Der andere ist also ein blöder Arsch, ein ewiger Nörgler, vielleicht will er mir auch ganz bewusst schaden, das wäre dem ja glatt zuzutrauen! Und wenn ich mich so in Rage gebracht (gedacht bzw. gefühlt) habe, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass meine Entgegnung nicht lauten wird: „Oh, danke für den Hinweis, ich werde es nächstes Mal berücksichtigen/ darüber nachdenken/…“, sondern eher: „Ach, leck mich doch, du nervst einfach!“ Und schon ist möglicherweise ein ’selbstgemachter‘ Streit im Gange (siehe auch Paul Watzlawicks Geschichte „Der Mann mit dem Hammer“).
Bewertungen können wichtige Hinweise geben
Dabei könnten uns die Gedanken und Bewertungen, die wir dem anderen gegenüber haben (siehe oben: blöder Arsch, ewiger Nörgler, der will mir schaden) Aufschluss über unsere eigentlichen Gefühle geben. Und diese wiederum sind die Sprache unserer (verletzten) Bedürfnisse, die es zu erkennen gilt. Darum ist es so wertvoll und wichtig, unsere Gefühle nicht wegzudrücken, sondern bewusst wahrzunehmen. Egal, wie unangenehm sie sich anfühlen mögen.
In diesem Fall könnte das Gefühl hinter den Bewertungen, die auf den anderen weisen und von mir ablenken, meine Angst sein, die Angst etwas falsch zu machen oder die Angst vor Ablehnung. Und das verletzte Bedürfnis noch weiter dahinter, ist möglicherweise der Wunsch nach Zugehörigkeit oder Anerkennung.
Wenn ich jetzt noch herausfinde, woher ich diese blöden Gefühle kenne, wann in meiner Vergangenheit es eigentlich um Zugehörigkeit oder Anerkennung gegangen wäre, kann ich nächstes Mal – oder zumindest übernächstes Mal – vielleicht schon viel gelassener reagieren. Ich werde die Kritik dann irgendwann als sachlichen Hinweis erkennen und dahinter keinen Angriff mehr auf meine Integrität vermuten.
Dies alles ist aber nur möglich, wenn ich bereit bin, bei mir selbst anzusetzen, wenn ich also Selbstreflexion übe. Hier nun 5 Gründe, warum sich das wirklich lohnt und weshalb auch meine Coachings auf (der Anleitung zur) Selbstreflexion basieren.
5 Gründe, warum ich Selbstreflexion als Coaching-Tool empfehle
1. Selbstreflexion benötigt Selbstachtsamkeit
Eine Coachingsitzung bietet den idealen Rahmen zum Erlernen von Selbstreflexion. Durch die erfahrene Empathie öffnet sich dir ein Raum für Selbstachtsamkeit, also die Fähigkeit, bewusst und wertungsfrei wahrzunehmen, was gerade wirklich ‚ist‘. Und es entsteht bei dir die notwendige Sicherheit und das Vertrauen, dich den unliebsamen Gefühlen überhaupt stellen zu können.
Im Alltag gibt es so viele andere Dinge, die uns bequemerweise immer wieder ablenken und auch unsere Gefühle schnell wieder überlagern. Selbst, wenn der Wille eigentlich da ist, ist es wirklich schwierig, zu diesen tieferen Schichten vorzudringen und dranzubleiben.
2. Selbstreflexion geht an die Ursache des Problems
Wie schon mehrfach erwähnt, reagieren wir auf manche Auslöser, die objektiv betrachtet gar keinen Anlass liefern müssten, deshalb so stark, weil es in unserer Kindheit eine Ursache dafür gibt. Durch bestimmte Ereignisse haben wir eine Verletzung davon getragen, eine Urwunde. Diese macht es uns unmöglich, angemessen mit der Situation umzugehen – zumindest, solange sie unerkannt und folglich unbehandelt bleibt.
Wenn du eine buchstäbliche Verletzung hast, eine Brandwunde zum Beispiel oder eine frische Operationswunde, wirst du unwillkürlich aufschreien, wenn diese berührt wird. Da kannst du es dir vorher noch so sehr vornehmen, nicht zu schreien, du wirst es nicht schaffen. Erst wenn die Wunde verheilt ist, kannst du das Körperteil irgendwann wieder unbedenklich einsetzen – wobei es natürlich möglich ist, dass Einschränkungen durch die Narbe bleiben werden.
3. Selbstreflexion ermöglicht Heilung
Allein schon die Erkenntnis, dass es eine tiefere Ursache für dein Problem gibt, bringt eine gewisse Erleichterung. Und es kann heilsam sein, ganz wertfrei festzustellen: So bin ich, das bringe ich mit, damit habe ich zu kämpfen. Aber nicht nur das:
Hast du eine Urwunde gefunden, kannst du sie ‚verarzten‘. Du beginnst, die Erfahrungen, die diese verursacht haben, bewusst zu verarbeiten. Das geschieht dadurch, dass du dich den Verletzungen stellst und die unangenehmen Gefühle, die du jahrelang weggedrückt hast, endlich zulässt. Erfahrungsgemäß dauert das seine Zeit und oft auch mehrere ‚Durchläufe‘. Sehr hilfreich ist es, dabei Empathie zunächst von außen, also durch die Coachin, zu erfahren, um dann selbst auch immer empathischer und liebevoller mit dir umzugehen.
4. Selbstreflexion führt zu Selbstwirksamkeit
Wenn dir die in deiner Kindheit verletzten Bedürfnisse bewusst sind, kannst du im Hier und Heute direkt ansetzen und selbstwirksam werden. Du kannst nun selbst dafür sorgen, dass deine Bedürfnisse erfüllt werden. Natürlich gibt es dabei Grenzen, denn wir Menschen sind soziale Wesen und Bedürfnisse wie Verbindung, Zugehörigkeit oder auch Anerkennung lassen sich nicht ausschließlich durch uns selbst erfüllen.
Aber du bist nicht länger Opfer der Verhältnisse oder der anderen. Du kannst zielführendere Strategien entwickeln, als die, die du in deiner Kindheit gelernt hast und die dir jetzt nicht mehr dienlich sind. Du bist insofern nicht länger abhängig von den Reaktionen anderer und wirst freier in deinem Handeln.
5. Selbstreflexion ist nachhaltig
Anstatt lediglich zu üben, wie du besser mit Kritik umgehen kannst, indem du zum Beispiel lernst, wie du darauf selbstsicher antwortest oder dich darauf zu fokussieren, wie du Konflikte friedlich löst, packst du das Problem durch ehrliche Selbstreflexion direkt an der Wurzel. Wer schon mal Unkraut gejätet hat, weiß, dass dies die einzig nachhaltige Methode ist.
Und je öfter du übst, Eigenverantwortung zu übernehmen, desto besser kannst du zwischen Bewertungen, Gedanken und echten Gefühlen unterscheiden und bist in der Lage, deine wirklichen Bedürfnisse zu erkennen. Denn du kannst diese tolle Methode natürlich auch in allen anderen Lebenslagen anwenden und wirst dann rundrum selbstwirksam.