Angst vor Veränderung: Europawahl 2024

Foto vom Gardasee mit den Bergen im Hintergrund, Beschriftung: Angst vor Veränderung, Europawahl 2024

Puh, die Ergebnisse der ersten Hochrechnungen zu sehen, war gestern schon echt heftig! Überall punktete rechtes Gedankengut, Nationalismus, Abgrenzung! Das ist eine Entwicklung, die mir schon längere Zeit richtig Angst macht und mir komplett gegen den Strich geht.

Heute morgen fühle ich mich gedrängt, Stellung zu beziehen und sehr spontan diesen Artikel zu schreiben. Anspruch auf Vollständigkeit erhebe ich nicht. Ich wünsche mir, dass dir der Artikel hilft, nicht den Mut zu verlieren und im Gegenteil, in der Liebe zu wachsen, falls du angesichts der Ergebnisse resigniert bist. Denn nur in der Liebe und im Miteinander liegt meines Erachtens der Ausweg.

Geht es nur um Hass und Ablehnung?

Schon im Vorfeld der Wahl(en, bei uns in BW gab es noch einiges mehr zu wählen und die Ergebnisse fielen auf allen Ebenen leider ähnlich aus), war ich beim Lesen in den Kommentarbereichen diverser Medien hin- und hergerissen. Ich bin ganz klar für die Liebe, für das Verständnis, für das Miteinander, daher habe ich natürlich zu gewissen politischen Richtungen eine starke, abgrenzende Meinung: Keinen Millimeter nach rechts!

Auch ich möchte spätestens ob des Ausgangs dieser Wahl am liebsten schreien, weinen, Menschen beleidigen und herabsetzen, um meiner Wut Luft zu machen, das spüre ich schon ganz deutlich. Aber, und jetzt kommt’s, dann erinnere ich mich an mein Menschenbild, dessen Leitsatz lautet: „Alles, was ein Mensch tut, tut er in erster Linie für sich (und nicht gegen andere).“ „Alle Menschen verdienen Liebe, alle Menschen sind gleichwertig.“

Diesen Grundsätzen gemäß zu handeln, ist schon als Lehrerin im Umgang mit den Kindern nicht immer leicht, da durch manches Verhalten oder manche Ansichten noch so einiges bei mir getriggert wird. Aber da schaffe ich es allermeistens, wenigstens die Verantwortung für meine nicht immer pädagogisch wertvollen Reaktionen bei mir zu lassen.

Grenzen wahren ist wichtig

Beim Umgang mit erwachsenen Menschen ist es jedoch noch viel schwieriger. Denn natürlich: Jeder (erwachsene) Mensch ist in meinen Augen eben auch für sein eigenes Verhalten verantwortlich – und da möchte man so manchen am liebsten packen und schütteln, um all die wirren Gedanken zu vertreiben. Außerdem geht von einigen dieser Menschen tatsächlich auch eine reale Bedrohung für (meinen) Leib und (oder zumindest das) Leben (anderer) aus. Aber ist Packen und Schütteln die Lösung? Kann Gewalt und Herabsetzung überhaupt eine Lösung sein?

Jetzt wird es heikel, denn ich denke schon, dass es, um mal bei den Kindern zu bleiben, wichtig und notwendig ist, Grenzen deutlich zu machen und auch einzufordern, zum Schutz der anderen notfalls auch durch Sanktionen. Übertragen: Ich finde ein deutliches Vorgehen gegen Hetze, Ausgrenzung in Form von -ismen jeglicher Art, und natürlich gegen Gewalt absolut wichtig, schon allein für das Überleben unserer Demokratie.

Ist Empathie trotzdem möglich?

Um aber einen Ausweg aus diesem Weg in den Abgrund zu finden, auf dem die Welt sich gerade zu befinden scheint, reichen Verbote und eben auch wieder Abgrenzung meiner Meinung nach nicht aus. Wenn wir mal bei dem oben genannten Grundsatz: „Jeder Mensch handelt in erster Linie für sich“ bleiben, öffnet sich ein ganz anderer Ansatz, der in der Politik zwar irgendwie gesehen wird, aber, glaube ich, noch zu wenig Beachtung findet.

These: Menschen, die ‚rechts‘ wählen, sind nicht von Hass geprägt, sondern angstgesteuert. Sie möchten das Beste für sich und ihre Familie und sehnen sich nach jemandem, der sich für sie einsetzt. Das anzuerkennen heißt ja wiederum nicht, dass man den Strategien, die sie dafür wählen, zustimmt. Aber das einfach mal anzuerkennen (anstatt, ebenso populistisch wie die rechten Parteien, entweder auf die gleichen Strategien zu setzen und z.B. gegen Geflüchtete zu wettern oder eben eine moralische Keule zu schwingen, a là „Nichts gelernt aus der Geschichte“) und diese Sorgen und Ängste ernstzunehmen, wäre schon mal die Basis für Vertrauen. Denn darum geht es doch letztendlich jedem Menschen, zu spüren: „Hier bin ich willkommen, hier werde ich gesehen!“.

Die Angst vor Veränderung

Um es vorweg zu nehmen: Ich bin keine Politikerin und möchte es auch gar nicht sein. Ich sehe, wie sich viele Politiker*innen für ihre Ideale einsetzen wollen und dann an den Gegebenheiten scheitern. Unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen zu treffen, gegen den Willen der Massen und vor allem auch gegen Lobbyisten jeglicher Couleur, ist schier unmöglich. Deshalb halte ich es für umso wichtiger für uns alle, mit Aufklärung und Visionen, statt mit Angstmacherei zu arbeiten.

Die Wahlergebnisse zeigen doch, dass ein Großteil der Bevölkerung Angst hat und ‚das schöne alte Leben‘ zurückhaben oder zumindest bewahren möchte (das viele bisher vielleicht noch nicht mal hatten). Auch der große Erfolg der CDU beweist, dass diejenigen Parteien punkten können, die ihr Wahlprogramm völlig an der Realität vorbei, aber von diesen Ängsten profitierend, ausrichten.

Schaut man der Realität ins Auge, wird man anerkennen müssen, dass ein solches Leben, das auf Ausbeutung von Mensch und Umwelt gründet, langfristig einfach nicht mehr möglich ist und in einer aufgeklärten Gesellschaft eigentlich auch gar nicht erwünscht sein kann (selbst wenn der Preis nicht z.B. Kriege um die verbleibenden Ressourcen und letztendlich der Verlust unserer Lebensgrundlagen wären).

Mut zur Veränderung

Es stünden also grundlegende Veränderungen unseres gesamten Systems an und es ist durchaus verständlich, dass die meisten Menschen vor Veränderungen zurückschrecken und lieber bei dem bleiben, was sie kennen, also lieber den Spatz in der Hand wählen, als die Taube auf dem Dach.

In einem Interview mit Ulrike Hermann über ihr mutmachendes Buch „Das Ende des Kapitalismus“ fand ich einen wertvollen Ansatz, der ein Schlüssel sein könnte: Bevor die breite Masse für die notwendigen Veränderungen bereit ist, muss erstmal für ihre Grundbedürfnisse gesorgt sein. Durch eine Umverteilung könnte zum Beispiel ein Grundeinkommen gewährleistet werden, natürlich geht es auch um gute Wohnverhältnisse und eine sinnvolle Beschäftigung. Sicherheit ist eine ganz wichtige Grundlage für Mut und Zuversicht! Und das trifft sowohl auf AfD-Wähler*innen, als auch auf Geflüchtete zu (und auf alle anderen natürlich auch).

Sicherheit als Grundlage

Es gibt auf unserem Planeten genügend Platz und Ressourcen für alle, wenn sie nur gerecht verteilt würden. Anstatt Arme gegen noch Ärmere aufzuhetzen und die Besserbetuchten in Angst und Schrecken um ihr (meinetwegen, meist aber wohl eher nicht) hart Erarbeitetes zu versetzen, könnte man mit Gesetzen die Wenigen zur Verantwortung ziehen, die wirklichen Reichtum (ich rede nicht von Millionen- sondern von Milliardenbeträgen) und die damit verbundene Macht abseits in höheren Spähren genießen. Und die diese wohl eher nicht freiwillig teilen werden, auch wenn sie selbst kein bisschen leiden würden, wenn sie etwas davon abgeben müssten.

Ebenso wichtig ist auch weiterhin die Aufklärung um generationale und persönliche Traumata, auch um Schocktraumata z.B. bei Geflüchteten, und die Möglichkeit zur Aufarbeitung für alle! Neid, Missgunst, Angst, Wut und Hass – alle diese Gefühle haben eine tiefere Ursache und immer geht es um nichterfüllte Bedürfnisse! Der Weg, die Schuld bei anderen zu suchen, führt in eine Sackgasse. Nur Menschen, die die Verantwortung für sich und ihr Handeln schon übernehmen können, dürften überhaupt in leitende Positionen gelangen.

Visionen statt Angstmacherei

Wenn diese Grundvoraussetzungen erfüllt sind, dann, hejho, let’s go, gibt es doch bereits schon so viele Ideen und vielversprechende Modelle für ein friedliches Miteinander auf unserer wunderschönen Erde, in dem keiner zu kurz kommen wird! Wir können alle in Fülle und Frieden auf diesem Planeten leben! Gemeinsam lautet das Zauberwort!

Wie geht es dir mit dem Ausgang der Europawahl 2024? Welche Lösungsansätze hast du? Schreibe es gerne in die Kommentare!

2 Kommentare

  1. Danke für diesen tollen Blogartikel, du sprichst mir aus der Seele. Mich hat das Wahlergebnis auch sehr nachdenklich gemacht.
    Die Sache mit den unerfüllten Bedürfnissen zieht sich durch so viele Lebensbereiche hindurch. Wir sind meistens auf der Suche nach einer kurzfristigen Befriedigung, haben aber das große Ganze bzw. die langfristigen Folgen nicht im Blick – egal ob als Privatperson oder als Gesellschaft. Meiner Meinung nach sind viele Wahlversprechen zu kurz gedacht oder gehen – wie du auch schreibst – an der Realität vorbei.
    Politisch wünsche ich mir auch mehr Visionen, Aufarbeitung und Unterstützung, statt Hetze und Schuldzuweisungen.
    Einen konkreten Lösungsansatz habe ich nicht, aber ich denke, es muss sich sowohl „von oben“ (das System, in dem wir leben), als auch „von unten“ (in unseren Handlungen und unserem Miteinander, vor allem bei Meinungsverschiedenheiten) etwas ändern.
    Das war ein langer Kommentar, vielleicht schreibe ich auch noch einen Blogartikel dazu 😉
    Liebe Grüße, Sina

    1. Liebe Sina,

      ja, hihi, ich glaube, da schlummert ein neuer Blogartikel in dir, ich bin schon sehr gespannt darauf!

      Ganz lieben Dank für deine Rückmeldung! Ich finde es auch sehr spannend, wie die (unerfüllten) Bedürfnisse eigentlich die Grundlage für alles bilden. Zuerst bin ich ja über meine Tochter (Bedürfnisorientierte Begleitung) dazu gekommen, aber das lässt sich einfach auf das ganze Leben anwenden.
      Herzliche Grüße
      Carolin

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